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Friedemann Spicker über:
Gottfried Pixner: Doch gesagt sei es! Aphorismen und Sprüche. Leipzig: Engelsdorfer Verlag 2022.

 

„Wortspiele sind die Taschenspielerkünste des Schriftstellers. […] Wer sich auf Wortspiele einstudiert, den lassen sie nicht mehr los, und er wird ein spitzfindiger formeller Manierist“, heißt es schon 1863 bei dem Kritiker und Aphoristiker Otto Banck. Nun ist das Wortspiel genuiner Bestandteil der Gattung des Aphorismus von Lichtenberg bis selbst Benyoëtz in der Gegenwart, aber es ist bestenfalls nicht Selbstzweck, sondern ordnet sich auf seine Weise kritisch-satirischen Intentionen unter, bei Börne, bei Kraus oder Tucholsky, aber selbst hier steht die Freude am Vergnügen in vielen Fällen in einem ungünstigen Verhältnis zur Nachhaltigkeit. Darüber hinaus ist auch eine regelrechte Wortspielfraktion auszumachen, von Moritz Gottlieb Saphir über Berufshumoristen wie Julius Stettenheim (die Geige als „Streichholz“, das „gleichfalls viel Unheil anrichten“ kann) und den witzigen Gedankensplitter bei Moritz Goldschmidt gegen Ende des 19. Jahrhunderts bis zu Werner Mitsch in der zweiten Jahrhunderthäfte des 20. Jahrhunderts, auf den sich Gottfried Pixner ausdrücklich bezieht. Sie war immer schon stark besetzt und nimmt hier und da regelrecht Züge eines Wortspielzwanges an. Und sie hat unvermindert reichen Zulauf. Es geht dabei um eine besondere Art von Unterhaltungsliteratur, Feuilletonjournalismus und Kabarett grenzen an.

Gottfried Pixner, 1944 in Wien geboren, legt hier seinen fünften Aphorismenband in dichter Folge vor, wieder im Engelsdorfer Verlag Leipzig, der ein breites Genre vom Thriller bis zu Kunstbänden und wissenschaftlichen Büchern bedient und auf seiner Website eine sehr große Anzahl von (indessen kaum bekannten) Autorinnen und Autoren aus 27 Ländern anzeigt. Die einzelnen Stilmittel und Spielformen von der Paradoxie bis zur Sprichwortvariation und von der Definition, einem seit jeher bevorzugten Sprachgebiet („Beichtstuhl: Repressionsmöbel.“; 97) bis zum Kalauer hat Jürgen Wilbert in seiner DAphA-Rezension des vorigen Bandes („Engelszungen und Teufelskallen“) vor einem Jahr vorgeführt; das muss hier nicht wiederholt werden. Sie bewegen sich mitunter auf dem Niveau der Hairlich-Friseurstuben, und tatsächlich: „Frisör: Old Schurhänd.“ (123) Vom Brüderchen ist man mit leichter Anlautverhärtung beim „Prüderchen“: „Josef ist ein richtiges Prüderchen; sieht in allen Frauen bloß Schwesterchen.“ (66) Typisch, dass der auf Klangspiel beruhende Einfall der Ausgangspunkt ist und der Aphorismus gewissermaßen ‚drumherum‘ gebildet wird: „Die Germanisten waren aufgebracht: Es galt auf sie lange und begoethigend einzureden.“ (22) Typisch auch der Kursivdruck des pointierenden Wortes oder Wortteiles: Obacht! Wortspiel! („eiskalt“ – „unverfroren“; 85). Typisch, bei Sigmund Graff etwa markant zu beobachten, ist gleichfalls die Häufigkeit der Gattungsreflexion (bei der nicht selten der Wunsch der Vater des Aphorismus ist: „Aphorismen: Weltverdichtungsformeln“; 16, vgl. 54, 58, 59, 86, 89, 98, 107, 108, 130, 139, 151). Typisch die schiere Menge der Texte, die man ‚aus dem Ärmel schüttelt‘. (Typisch ist auch die gleichzeitige Erprobung im Schüttelreim mit seiner Vertauschung der Anfangskonsonanten, dieser vergnüglichen Kleingattung vor allem von Hobbyautoren.) 8 – 11 solcher Aphorismen pro Seite: das mag den einen erfreuen, der andere sucht vergeblich den Erkenntnis-Mehrwert. Auch vom Schmunzeln zum Seufzen ist nur ein Schritt. Aber gibt es nicht auch in den Großgattungen neben dem Höhenkamm der Literatur eine Menge an Trivialem? Es gibt ja Leserinnen und Leser, die auch in der Masse Freude am Spiel mit Wort und Klang haben, dem „Fell-Verhalten“ (20) der Pelzträger und dem Hausfreund als „Mit-Glied“ (22). Die Gefahr formuliert Pixner selbst auf seine Art, wenn er Bancks „Manier“ so übersetzt: „Trivial-Autoren: Motoren, die auch ohne Zündfunken anlaufen.“ (31) Um abschließend mit einem Wortspiel an den Titel anzuknüpfen: „Doch gesagt sei es!“? Vielleicht aber auch: Man soll es gesagt sein lassen.

 

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