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Jürgen Wilbert über:
Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger „APHONITIONEN – Aphoristische Definitionen“ (Königshausen & Neumann: Würzburg 2019)

Der Autor, 1939 in Insterburg (Ostpreußen) geboren, ist Chemiker im Ruhestand und war in zahlreichen Wissenschaftsorganisationen tätig. Nach diversen Fachbüchern veröffentlicht er auch Aphorismenbände.
Darin kommt laut Vorwort in seinem jüngsten Buch „seine lebenslange Leidenschaft für Aphorismen“ zum Ausdruck. Nach „ Aphorismen & Zitate über Natur und Wissenschaft“ (WILEY-VCH Verlag 2013) und „K(l)eine Weisheiten“ (Brockmeyer-Verlag 2015) ist nun sein neues Buch „APHO-NITIONEN“ im Verlag Königshausen & Neumann erschienen. Fasziniert von den vielfältigen Möglichkeiten der deutschen Sprache, „der Vielfalt der Kombinationsmöglichkeiten der … Chemie nicht unähnlich“ (laut Vorwort S. 4), legt er hier eine üppige Auswahl von „Wort-Molekülen“ oder „WortSinnThesen“ vor. Nach einem solchen Prinzip entstand auch der originelle Titel „APHONITIONEN – Aphoristische Definitionen“. Damit knüpft er an die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „Aphorismus“ im Griechischen an: etwas auf den Punkt bringen, zusammenfassen, definieren“. So ist kein streng systematisches Lexikon entstanden, sondern eine Sammlung von Worten / Wortkombinationen, die der Intention folgt, „ aphoristisches Denken mit sprachspielerischer Experimentierfreude zu verbinden“. (S. 5) Darüber hinaus möge es „die Lesenden (…) zum kreativen Weiterdenken“ anregen. (Randnotiz: Auch der bekannte Aphoristiker und Essayist Erwin Chargaff war Chemiker und zeitlebens von der kurzen Gattung fasziniert. Von ihm stammt diese Notate: „Wir haben den Glauben verloren, weil wir Berge versetzen können.“ / „ Die Natur ist unerbittlich beiläufig.“)
In der Tat, die Lektüre des Buches bereitet immer wieder Lesevergnügen, wenn man z.B. über solche Wörter „stolpert“ wie „Fleißeslust“ (für „Arbeitsfreude“). Bei der Fülle der aphoristischen Definitionen – zumeist in der Form von Einwortsätzen – verweise ich im Folgenden lediglich exemplarisch auf einige besonders originelle Beispiele. So bezeichnet er die Aphoristik als „EinSatzKunst“ und Aphoristiker als „Verballistiker, die gern ins Schwarze treffen“. Weniger überzeugend hingegen ist die Variante „Wort-Spielzeug“. Gelungen, da wortwitzig und hintergründig zugleich, ist auch die Umschreibung der „Adipositas: die guten Vorsätze werden immer wieder untergebuttert“. Rein kalauernd kommt die Definition der „Agentin“ daher: „versucht zu lockvögeln“. Stellenweise erinnert mich das Buch an das bissige „Wörterbuch des Teufels“ von Ambrose Bierce, etwa bei diesen Begriffen: „Abendprogramm, Fernsehen: grenzt oft an Hausfriedensbruch“. Oder: „Abwesenheit: angenehmste Eigenschaft von Mitmenschen“. Beim Stichwort „Liebe“ und den entsprechenden Komposita finden wir eine Menge von Definitionen, von denen nicht alle überzeugen können, doch bei dieser Fülle von Wortkreationen ist das nicht weiter verwunderlich. (Vergleiche „Sexamen“ für „Liebesprüfung“.) Im Bierceschen Sinne geglückt ist diese Umschreibung für „Liebe: biologischer Ausnahmezustand wegen turbulenter Hormonlage“. Der prachtvolle Hardcover-Band mit vielen graphischen Auflockerungen ist zweifelsohne das Ergebnis langjähriger kreativer Wortschöpfungsarbeit. Zum Abschluss als „Appetithappen“ nur noch wenige prägnante Textbeispiele, mal ernsthaft – mal humorig: „Konsum: KaufKraftSport“ / „Vorsicht: ist geboten – wer bietet mehr?“ / „Zeit: Besitz, der sich nicht anhäufen lässt“. Fazit: Alles in allem stellt dieser Band eine wahre Fundgrube für WortSpielFreunde dar und bietet in üppiger Form Anlass für die Erprobung eigener aphoristischer Wortschöpfungen.

JWD, Düsseldorf, Januar 2020

 

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